Worauf Sachverständige bei der Erstellung eines Unfallgutachtens achten müssen

Kann ein verunfalltes Fahrzeug nicht mehr repariert werden („echter Totalschaden“) oder ist es wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, dieses reparieren zu lassen („wirtschaftlicher Totalschaden“), so ersetzt die Haftpflichtversicherung den sogenannten Wiederbeschaffungsaufwand. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert. Im Nachfolgenden erklären wir nun, wie der Restwert im Gutachten ermittelt werden muss.

Der Weg zur korrekten Restwertermittlung

Im Unfallgutachten müssen mindestens drei Angebote für das Unfallauto explizit festgehalten werden, die zuvor bei mindestens drei verschiedenen Händlern eingeholt wurden. Dies gehört zu den Aufgaben, die von der geschädigten Person an Sachverständige übertragen werden. Das höchste dieser drei Angebote stellt den Restwert da. Der oder die Geschädigte muss sich im Anschluss nicht um weitere Angebote bemühen und kann das Auto zum ermittelten Preis verkaufen. So weit so gut. Sachverständige, die mit dieser Aufgabe betraut werden, müssen sich allerdings an bestimmte Vorgaben halten: die eingeholten Angebote müssen im Gutachten überprüfbar sein und im Detail aufgeführt werden. Es genügt nicht, nur das höchste Angebot zu nennen. Im Gutachten sind von allen Angeboten der jeweilige Name mit der Adresse, Telefonnummer und gegebenenfalls eine Angebotsfrist aufzulisten. Außerdem ist es unerlässlich sich bei der Ermittlung des Restwerts an seriöse Autohändler zu halten, die Teil des regionalen Marktes sind. Onlinehändler gehören nicht dazu.

Wieso müssen Sachverständige die Angebote auf dem regionalen Markt einholen?

Es handelt sich bei der Beschränkung auf den regionalen KFZ-Markt nicht um eine rechtliche Schikane. Schließlich hat die geschädigte Person nach einem Unfall mit Totalschaden schon genug durchgemacht. Die Festlegung auf den regionalen Markt besteht, um Geschädigte nach einem Unfall nicht aus ihrer Komfortzone zu reißen. Sie können den Geschädigten oder die Geschädigte an den Gebrauchtwagenhändler Ihres Vertrauens verweisen und sind nicht gezwungen andere Angebote aus fremden Quellen wahrzunehmen, die zum Beispiel von der gegnerischen Versicherung ins Spiel gebracht werden. Die Hürden auf dem Weg zur Inzahlungnahme sollen so klein wie möglich sein. Bei der Vorgabe des regionalen Marktes handelt es sich also um eine Schutzmaßnahme für die geschädigte Partei. Was genau der maßgebliche regionale Markt im Einzelfall ist, hat entsprechend auch nichts mit der Umgebung des Ortes zu tun, an dem sich der Unfall ereignet hat, sondern ist grundsätzlich auf den Wohnort des oder der Geschädigten bezogen.

Was genau bedeutet regional in diesem Fall?

Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten, wie man annehmen würde. Es gibt keinen allgemeingültigen Kilometer-Radius, an den Sachverständige bei der Ermittlung des Restwerts gebunden sind. Grund hierfür ist die realistische Möglichkeit, dass der oder die Geschädigte an einem kleinen Ort umgeben von malerischer Landschaft lebt, an dem es im Radius von 50 Kilometern, dem inoffiziellen Grenzwert, keine drei verschiedenen Autohändler gibt. Der Radius muss also gezwungenermaßen ausgeweitet werden. Entscheidend für ein korrekt erstelltes Gutachten bleibt aber, dass es sich um verbindliche Angebote von seriösen Autohändlern handelt.

Ausnahmen von der Regel des regionalen Marktes

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gibt es nur dann, wenn der oder die Geschädigte selbst in der KFZ-Branche arbeitet, somit Profi auf dem Gebiet des Auto An- und Verkaufs ist und sich auch in Onlinebörsen bestens auskennt. In diesem Fall müssten auch überregionale Angebote berücksichtigt werden. Der BGH geht unter diesen Umständen davon aus, dass geschädigten Personen, die Restwertermittlung im ausgeweiteten Terrain zuzumuten ist.

Was geschieht, wenn der Wert des Unfallautos falsch festgestellt wurde?

Wenn ganze Arbeit geleistet und der Restwert für das Gutachten korrekt auf dem richtigen Markt festgestellt wurde, kann die geschädigte Person zur Tat schreiten und den Schrotthaufen, der einst ein Auto war, zu eben jenem Preis verkaufen. Jedenfalls darf der gutgläubige Geschädigte auf die vom außergerichtlichen Gutachter durchgeführte Ermittlung des Restwertes vertrauen. Es ist nicht nötig, die Füße still zu halten bis die Gegenseite, also der Schädiger und dessen Versicherung, selbst Angebote eingeholt hat. Sollte der Sachverständige allerdings den Restwert auf dem falschen Markt ermitteln, so könnte die Haftpflichtversicherung Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen geltend machen.

Fazit: Der Restwert ist vom Sachverständigen normalerweise auf dem regionalen Markt bei drei verschiedenen KFZ-Händlern zu ermitteln, da die Schadensabwicklung zu Gunsten des Geschädigten erfolgt. Alle Angebote müssen minutiös im Gutachten festgehalten werden. Nur dann, wenn der Geschädigte selbst „Profi“ ist und sich mit den verschiedenen Märkten auskennt, ist der überregionale Restwert zu ermitteln. Als Profi dürften Autohäuser, Gebrauchtwagenhändler oder Werkstätten gelten.